Zum Gedenken an Lothar Leuthold – ein Nachruf


Lothar Leuthold

Halt! Meine Tuba muss doch noch mit!“, „Moment, gleich hab’ ich die Noten gefunden.“ oder auch „Ist eigentlich noch Kaffee da?“ sind typische Sätze, die jeder Musiker der Brass Band BlechKLANG problemlos einem Mann zuordnen konnte: Lothar Leuthold. Unser langjähriger Principal Bb-Bass war dafür bekannt, nie einen Kaffee auszuschlagen, oftmals recht knapp zum Treffpunkt für die Fahrt zum Auftritt zu erscheinen und stets eine sehr individuell sortierte Notenmappe zu haben. Noch mehr war er aber in unseren Reihen dafür bekannt, konsequent auf höchstem Niveau zu spielen und immer ein offenes Ohr zu haben. Am 10. August 2018 verstarb Lothar Leuthold in den frühen Morgenstunden vollkommen unerwartet. Sowohl musikalisch als auch vor allem menschlich haben wir an diesem Tag einen unserer treuesten Begleiter verloren. Ein Jahr nach seinem Tod wollen wir mit diesen Zeilen noch einmal an ihn erinnern.

Lothar Leuthold erblickte am 7. Oktober 1970 das Licht dieser Welt. Seinen beiden Eltern, einem Tubisten an der Dresdner Staatskapelle und einer leidenschaftlichen Pianistin, hatte er es zu verdanken, dass er sich bereits von klein auf für die Musik begeisterte. Um dieser Leidenschaft intensiv nachgehen zu können, wechselte er früh an eine Spezialschule für Musik. Im Alter von sieben Jahren fand er dann – angeregt durch seinen Vater, dem damaligen musikalischen Leiter – den Weg zum Fanfarenorchester des VEB Carl Zeiss Jena – derjenigen Formation, aus der später die Brass Band BlechKLANG hervorgehen würde. Heute kaum vorstellbar, versuchte sich Lothar anfangs tatsächlich an der Trompete. Im Jahr 1979 sattelte er dann aber auf die Tuba um, der er von da an stets treu blieb.

Lang ließen die musikalischen Erfolge nicht auf sich warten. Bereits wenige Jahre nach dem Instrumenten-Wechsel gelang Lothar der Aufstieg ins damalige Auftrittsorchester, mit dem er von da an viele nationale und internationale Auftritte bestritt. Und auch außerhalb der Heimatformation wusste er zu überzeugen: Beim Stavenhagen-Wettbewerb holte er sich 1983 einen verdienten Sieg. Im Anschluss wurde er Mitglied im ZMK-Auswahlorchester für die Weltfestspiele in Moskau. Darauf folgte das „Treffen Junger Talente“, welches heute unter dem Namen „Jugend musiziert“ bekannt ist. Hier gewann Lothar mit gerade einmal 15 Jahren eine Goldmedaille und erreichte die höchstmögliche Punktzahl.

Vom Talent des jungen Musikers überzeugt, lud ihn die Jury daraufhin an die Musikhochschule nach Berlin ein, an der er ein Jahr später das Studium der Musik aufnahm und sich damit gegen die geplante Elektronikfacharbeiter-Ausbildung entschied. In den sieben folgenden Studienjahren spielte Lothar in vielen verschiedenen Besetzungen, von Big Bands über klassische Musik bis hin zu Ensembles und solistischen Auftritten. Auch die erfolgreiche Teilnahme an Wettbewerben blieb nicht aus. Nach dem Ende trat er dann eine Stelle als Musiklehrer an der kommunalen Musikschule an.

Es folgten viele erfolgreiche Jahre im Dienste der Musik, bis es 1998 zum Bruch mit seiner Passion kam. Ausgelöst durch den Tod des Vaters, der ihn in eine schwere Krise stürzte, entschied sich Lothar dazu, etwas gänzlich anderes zu tun und sich seiner zweiten großen Leidenschaft zu widmen: der Technik. Er schloss eine Ausbildung zum Mechatroniker ab und griff gut zehn Jahre nicht mehr zum Instrument.

Diese Pause fand schließlich ein Ende, nachdem sich Lothar ein Konzert der wohl bekanntesten Brass Band „Black Dyke“ in der Schweiz angehört hatte. Absolut begeistert von einem für ihn einmaligen klanglichen Erlebnis ließ er sich sofort vom Brass Band-Virus infizieren. Es dauert nicht lange und Lothar fand den Weg zurück zur Musik – und auch zu uns. Im Jahr 2008 unterstützte er uns bei den Weihnachtskonzerten und wurde wieder ein festes Mitglied der Brass Band BlechKLANG. Darüber hinaus spielte er in den Folgejahren als Aushilfe bei nationalen und internationalen Brass Bands. Zudem begann er 2008, als freischaffender Tubist und Lehrer für Blechblasinstrumente zu arbeiten. Diese Tätigkeit übte er an unserer vereinseigenen Nachwuchsschmiede, der Orchesterschule KLANGwelt, aus sowie in verschiedenen thüringischen und sächsischen Bläserklassen. Eins seiner Steckenpferde war stets das Thema „Atmung“. Regelmäßig brachte er seine Schüler*innen – stets im Auftrag des Klangs – mächtig aus der Puste.

Als Principal BBb-Bass erlebte Lothar gemeinsam mit uns einige musikalische Highlights: Angefangen bei zahlreichen Gala-, Picknick- und Weihnachtskonzerten über Brass & Sinfonik sowie Brass & Fire bis hin zu verschiedenen Meisterschaften. Vor allem die Wettbewerbe bereiteten ihm ganz besonders viel Freude. Eine Meisterschaft bedeutete in seinen Augen noch ein Stückchen mehr als ein großes Konzert, und zwar sowohl intensive Proben- als auch Zusammenarbeit. Hinzu kommen vor Ort der Austausch mit anderen Bands, die gemeinschaftlichen Aktivitäten sowie die Atmosphäre.

Die Begeisterung für die Brass Band-Musik, die Lothar ausstrahlte, war für jeden unverkennbar. Sowohl als Zuhörer als auch als aktiver Musiker tauchte er ganz tief in dieses Genre und die dazugehörige Kultur ein. Manche Stücke hatten ihn allerdings besonders stark beeindruckt. Zu seinen Lieblingswerken gehörten unter anderem „Resurgam“ von Eric Ball, dessen ergreifende Hintergrundgeschichte und deren musikalische Verarbeitung ihn sehr faszinierten. Mit diesem Stück konnte er sich selbst bei der Deutschen Brass Band Meisterschaft 2014 in Bad Kissingen mit uns beweisen. Ein weiteres Wettbewerbsstück, welches eine große Faszination auf Lothar ausübte, war „Black Out“ aus der Feder von Thomas Doss, welches 2016 das Pflichtstück der damaligen Höchststufe der Deutschen Brass Band Meisterschaft darstellte. Vor allem der Anfang, welcher allein von der Tuba gespielt wird, übte auf ihn einen besonderen Reiz aus.

Als Hörer fand Lothar vor allem die Brass Bands der englischen Musikszene sehr inspirierend. Berühmte Formationen wie „Black Dyke“ und „Cory“ stellten für ihn Klangideale dar, bei denen er besonders den Bass-Satz und dessen Funktion sehr schätzte. Er sagte gern: „Jede gute Brass Band baut sich von der Tiefe auf und die Jungs beherrschen das einfach sehr gut.“ Für den einen oder anderen vielleicht überraschend: Im privaten Leben gehörte zu Lothars Musikwahl nicht ausschließlich die Brass Band-Musik. Auch Klassik von Vivaldi oder deutschsprachige Pop-Musik hörte er sich ab und zu im Auto oder auf der Heimanlage an. So sehr ihn das Brass Band-Virus auch infiziert hatte, ab und an gönnte er sich – je nach Gefühlslage – doch ab und zu eine kleine Pause.

Kurz vor seinem für uns alle sehr überraschenden Tod ging Lothar allerdings mit vollem Eifer seiner Leidenschaft nach. Während des International Summer Brass Band Camps 2018 verbrachte er fast 24 Stunden damit, selber Musik zu machen oder Musik zu lehren. Er begeisterte den Nachwuchs und probte gemeinsam mit seinen Kolleg*innen für kommende Konzerte. Er war Dozent. Er war Tubist. Aber vor allem war er ein toller Mensch. Lothar Leuthold wurde 47 Jahre alt. Er hinterließ eine Tochter und eine Lebensgefährtin. Möge er in Frieden ruhen.

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